Ein verlorener und ein schöner Tag

Oder: Wie ich einen Tag an die Bahn verlor und einen an das schöne Leben in Lüttich. Der Reisende dachte sich, dass es doch schön sei, sein Deutschlandticket auf einer Strecke zu nutzen, die nach Deutschland hinausführt. Wer das auch mal machen möchte, dem sei gesagt, dass man sich gut informieren sollte, auf welchen Strecken das Ticket im Ausland gilt. Lüttich war das Ziel und der Reisende schwört bei Gott, dass er nie, NIE, NIE größere Probleme mit der Bahn gehabt hat. Bis zu diesem Tag: Lüttich sollte es sein und man schaute sich zuvor eine Route aus: 06:20 Uhr sollte es losgehen, um 12:50 Uhr sollte man ankommen. Sollte. Es fing schon damit an, dass einen auf dem Weg zum Bus die Natur lockte, wo sie nicht sollte. Als man dann von der Toilette der nächsten Tankstelle kam, konnte man erst den nächstmöglichen Bus nehmen. Als man dann am Paderborner Hauptbahnhof den RRX nach Hamm nehmen wollte (Umstiege waren in Hamm, Mönchengladbach und Herzogenrath), standen dort schon viele Leute (unter anderem ein Zugbegleiter) und warteten.

Der Zugbegleiter war am telefonieren (offensichtlich mit der Leitstelle) und man hörte, dass die Bahn offenbar zaubern konnte: Da war der RRX in Kassel gelistet, aber nicht auf dem Gleis gewesen… Aber irgendwie zauberte die Bahn nochmal und schon 20 Min. später konnte man nach Hamm und war froher Dinge, den Zug noch zu erreichen. Zu(g) früh gefreut. Der Zug hatte im Bahnhof schon eine halbe Stunde gestanden, bevor er losfuhr und dann hat der Zug auch nicht die volle Kraft gefahren. Der Zugführer sprach schon hörbar entnervt in die Lautsprecheranlage und zu allem Überdruss kam noch hinzu, dass in Gelsenkirchen beim Stellwerk eine Weiche geklemmt hat und wir deshalb am Essener Hauptbahnhof aussteigen mussten. Der nachfolgende Zug sollte bis Herzogenrath durchfahren – Er fuhr nur nach Erkelenz. Hieß, dass man in Erkelenz aussteigen musste um nach Aachen Hbf zu fahren, wo man dann in einen belgischen Zug steigen musste. Fakt war: Man kam erst gegen 21:00 Uhr am Nachtlager an. Zuvor hatte man aber noch ein schönes Sightseeing mit ungeplantem Schwarzfahren. In Belgien liebt man es mehr bargeldlos wie in Deutschland und das ist fatal, wenn man ausserhalb der Geschäftszeiten am Bahnhof ist. Aber Lüttichs Bahnhof Guillemnis (wovon ich bis heute nicht weiß, wie man es genau ausspricht) ist die schönste Visitenkarte, die man als Bahnhof haben kann. Lüttich zeigte sich im halbdunklen von seiner schönsten Seite. Im Bus fuhr man an der beleuchteten Oper und dem Theater vorbei. Und natürlich an den beleuchteten Maasbrücken… Empfangen wurde ich von Dominique, dem Gastwirt. Und von einem modrigen Gestank im Flur, den das Gemäuer des alten Hauses ausdünstete. Sieht man von der Terrasse ab, war die Bleibe aber schön. Ungewohnt war es, mit dem Gastwirt an einem Abendtisch zu sitzen, aber das ist wohl die belgische Gastfreundschaft…

Das Bett war schön, das Zimmer auch und ich ließ mich mit Buch und Podcast in das Reich der Träume gleiten… Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne und ich frühstückte. Das Frühstück bestand aus zwei Wraps, die ich aus einer To-good-to-go-Tüte, die ich mir in einem Carréfour-Supermarkt vom Bahnhof geholt habe, packte. Mein Blick schweifte zur unverbaubaren Mauer auf die Terrasse und sagte mir: Gehe! Gehe raus in die Stadt! Nun muss man sagen, dass der Reisende vor seiner Abfahrt sich über den ÖPNV in Lüttich infomierte. Die Verkehrsgesellschaft von Lüttich hatte auf seiner Website einen Liniennetzplan zum Download – von 2015. Kein Problem, dachte der Reisende, das wird seine Gründe haben und es soll ja auch sein, dass solche Pläne jahrelang unangetastet bleiben. Hier nicht. Hier wurde ich belehrt, dass es doch auch mal besser ist, seinen digitalen Kompass zu benutzen, als sich auf ein Stück Papier zu verlassen. Und das ging die ganze Reise so, weil an dem Plan stimmte – gar nichts. Also, war ich so mutig und habe mir alles erlaufen: Ergebnis: An diesem Samstag habe ich über 44.000 Schritte auf meinem digitalen Begleiter gehabt.

Was einem in belgischen Supermärkten auffällt, ist, das manche Dinge viel billiger sind (Trappistenbier 2x so billig, fehlt ja auch der Zoll, vom festen Brot ganz zu Schweigen), andere Dinge sind komischerweise doppelt so teuer, als sortengleiche Waren (Die selbe Menge der gleichen Sauce kostet im Plastikpack doppelt soviel, wie im Glas). Nachdem man die Waren wieder auf sein Zimmer brachte, ging man zur Maas und von der Maas ist es eine halbe Fußstunde in die Altstadt von Lüttich. Dort habe ich mir vorgenommen, die Altstadt zu erlaufen, mit dem offiziellen Tourguide der Stadt.

Eine gute Idee, denn so lernt mal Lüttich lieben. In dem Guide sind drei Routen abgedruckt, die wirklich alles zeigen und nichts verschweigen. Verschweigen sollte man aber auch nicht, dass Lüttich eine Stadt ist, die gefährlicher ist, als Paris. By the way… Jedenfalls habe ich – das Wetter ließ es auch zu – ALLES gesehen. Alles, das heißt: Die weltberühmte Buerentreppe, eine der größten Treppen Europas mit der danebenliegenden Zittadelle, sämtliche wichtigen Kirchen, jedenfalls die, die offen waren, das Prinzenpalais und das Carré… all das war vor meinen Augen, unter meinen Füßen, unter meiner Zuge… … denn der Reisende muss ja auch Essen und Trinken.

Der richtige Reisende will nicht all inclusive, richtige Reisende will das Essen vor Ort! Und das kann sich sehen lassen. Fast alles, was für Belgien und für Lüttich steht, habe ich probieren können: Boulet a Liegéois, eine Art Frikadelle gewordener Sauerbraten, Fritten, Bier und auch ein bisschen Schokolade habe ich probieren können. Der Tag war gut gefüllt und man kam erst gegen 19 Uhr an. Am nächsten Morgen ging es – fast reibungslos – nach Deutschland zurück.