Der Tag, als sich alles veränderte

Mein Name ist geheim.Nun zu meiner Geschichte. Ich bin sehr behütet aufgewachsen. Außerdem hatte ich einen tadellosen Lebenslauf bis zu meinem 27. Lebensjahr. Ich hatte eine gut bezahlte Arbeit und verdiente über 2.400,– € monatlich. Für die Arbeit zog ich nach Hannover. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich früher kein Verständnis für Obdachlose und Bekloppte hatte. Wenn mich jemand anbettelte sagte ich zu ihm: „Geh arbeiten!“ 2014 begann ich auf Instagram zu modeln. Und nun ja: es blendete mich. Mein Leben geriet mit jedem like und

Follower mehr aus der Bahn. Instagram fraß all meine Freizeit auf. An Freunden und Familie verlor ich das Interesse. Das ging vielleicht 16 Monate so. Und dann war das so, dass ich von einer Agentur angeschrieben worden bin. Für die wollte ich modeln. An dieser Stelle erkläre ich mal, dass ich beruflich etwas komplett anderes gemacht habe, und das Geld kein Anreiz für mich war. Ich suchte das Rampenlicht. Es funktioniert heute, dass ich darüber spreche oder schreibe, wie es weiterging. Doch die Wunden sind noch nicht geheilt. Ich bin dann zu dieser Agentur außerhalb von Hannover gefahren. Da hat Sven, so hat er sich mir vorgestellt, Bilder von mir gemacht. Diese sollten in eine Kartei. Doch ich sollte einen Vertrag dafür unterschreiben. Und das tat ich nicht. Er hat immer wieder angerufen und gefragt. Doch ich blieb bei “nein”, denn für die Kartei sollte ich richtig draufzahlen. Dann sagte Sven, er könnte dafür sorgen, dass ich darum herum komme zu bezahlen, weil ich ja so wunderschön sei. Und die ganz Großen mich sicher buchen würden. Ich fuhr also noch mal hin zu Sven. Er hat mich auf einen Drink eingeladen und anschließend sind wir dann zu ihm gefahren. Er sagte: “Ich möchte Nacktaufnahmen von dir machen.” Ich „Nein!“ Er wollte mich küssen. „Nein!“ schrie ich. Da hat dieser ……! mich vergewaltigt. Das ging lange und war mehrfach. Im Morgengrauen fuhr er mich nach Hause. Er drohte mir noch: „… ich solle mein scheiß Maul halten!“ und fuhr weg. Und das veränderte alles in meinem Leben. Ich brach zuhause zusammen. War weg; in einem kompletten Blackout. Erst einige Tage später rief ich eine Freundin an. Die fuhr mit mir ins Krankenhaus. Die sicherten Spuren. Ich habe die Bilder von der ärztlichen Untersuchung beigelegt. Vielleicht wollt ihr die ja zeigen. Es waren zahlreiche Hämatome und eine gebrochene Rippe. Und ich ging mit Hilfe meiner Freundin auch zur Polizei und zeigte ihn an. Aber… hmmm… es reichte zunächst nicht aus. Mir ging es schlecht; ich kündigte meinen Job. Und ich ging in eine Obdachlosen-Unterkunft. Sofort einen Tag nach der Tat. Ich hielt es zuhause einfach nicht aus, weil ich Angst hatte, vor Sven. Er wusste ja schließlich wo ich wohnte. Innerhalb der nächsten Wochen verlor ich 10 Kg . Da bin ich dann in die Psychiatrie gekommen. Ich hatte dem Arzt gesagt: „ich will mich tot hungern!“. Ich hatte schon kritisches Untergewicht. Ich wurde Zwangseingewiesen. Und noch in der Arztpraxis habe ich randaliert. In der Psychiatrie angekommen, habe ich weitergemacht. Drei Pfleger haben mich dann ans Bett gefesselt. Und der Arzt kam und hat mich mit Medikamenten vollgepumpt. Später wurde ich losgemacht. Die haben mir alles weggenommen und ich war in einem Raum eingesperrt, indem ich ständig beobachte wurde. Ich konnte nicht mal auf Toilette gehen, ohne beobachtet zu werden. Und das, obwohl die wussten das ich vergewaltigt wurde. Es gab Tavor, ein Medikament das auch süchtig macht. Wenn man das Medikament nimmt, fühlt es sich an, als würde man immer weiter nach oben in den Himmel schweben; als wäre die Welt um mich rum angepinselt worden. Denn eigentlich war die Welt für mich trist und grau. Aber durch Tavor kamen viele Farben ins Spiel, die in Wirklichkeit nicht da waren. Doch die Pfleger gaben es mir nicht immer, weil es ja süchtig macht. So war es ein von Tabletten vorgegaukelter Himmel in der Hölle Psychiatrie für mich. Da habe ich zu allem nur noch “ja und Amen” gesagt, bis ich wieder entlassen wurde. Und wieder in die Obdachlosen- Unterkunft durfte. Sven, den ich zweimal probeweise unter falschem Profil anschrieb, um ihn zu überwachen, fuhr dann doch ins Gefängnis ein. Das erfuhr ich nicht von Sven selber, sondern von meinem Anwalt. Aber er ist nicht deshalb dafür eingefahren. Also für das, was er mir angetan hat. Da war ich heilfroh. Ich lernte eine Frau kennen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Und die nahm mich mit in eine Selbsthilfgruppe. Nach und nach vertraute ich mich der Gruppe an. Es tat sehr gut, mich endlich aus meiner Igelstellung zu befreien. Dann kam der Neubeginn. Ich ging noch einmal in die Psychiatrie, in ein anderes Krankenhaus. Geschützt von meiner Selbsthilfegruppe, die mir dabei den Rücken frei hielt. Diesesmal war es anders. Die Ärztin ließ mit sich reden. Und der Psychologe kam gut an das eigentliche Problem. Immer war ich in Versuchung nach diesem Dreckszeug Tavor zu fragen. Ich glaube, dass ich einer Sucht nur knapp entgangen bin. So richtig gefallen hat es mir in der Klinik eigentlich auch nicht. Aber besser als beim ersten mal war es schon. Von dort aus organsierte ich mir eine feste Bleibe. Ich zog in eine WG mit noch vier Frauen. Eine von denen war auch in meiner Selbsthilfegruppe. Die Rettung in aller letzter Sekunde war das für mich! Jetzt lebe ich ein anderes leben. Leider überkommt mich manchmal noch die posttraumatische Belastungsstörung. Jetzt habe ich mit der Tat abgeschlossen. Es sind nun auch sieben Jahre vorbei. Damit Sven nicht für ewig Macht über mich hat, habe ich damit abgeschlossen. Ich glaube, dass andere Betroffene mich vielleicht verstehen. So lange er einen Platz in meinem Leben hat, hat er auch Macht über mich. Und das habe ich losgelassen. Er hat jetzt keinen Platz mehr in meinem Leben!!! Und noch etwas möchte ich loswerden. Bitte trampelt nicht auf uns psychisch Kranken herum. Man benutzt uns doch allzu gerne als Schutzschild. Mit Aussagen: „so wie die, will ich niemals werden!“ Es ist egal wie man aussieht. Egal wo man herkommt; was man an hat. Und wie man sich verhält. Wir sind alle Menschen. Ja und scheiß auf Instagram! Bedenkt, das sind fremde Leute denen ihr so viel Preis gebt!