Ballett niemals gut genug!

Tanz! Ballerina Tanz! du darfst nicht versagen!

Mit 5 Jahren kam ich in eine Pflegefamilie. Meine Adoptiveltern
waren streng. Ich habe viel darüber nachgedacht warum ich
meinen leiblichen Eltern nicht gut genug war. Und warum die mich
weg gegeben haben. Meine leiblichen Eltern haben nie gesagt,
dass sie stolz auf mich sind. Ich habe das nie gespürt wie es ist
von leiblichen Eltern geliebt zu sein. Und kein Bild einer Erinnerung
an meine frühe Kindheit blieb mir, weil alles über die Jahre
verblasste, und nur noch Fragen blieben.
Meine neuen Eltern meldeten mich beim Ballett an. Mein
Adoptivvater ist selber Intendant. Im Ballett und in der Schule war
ich unschlagbar. Ich bekam gute Noten und wurde als hochbegabt
im Ballett eingestuft. Schon mit 9 Jahren begann ich meine
Profiausbildung im Ballett. Das machte meine Adoptiveltern über
alles auf mich stolz. Bei einem Auftritt von Giselle tanzte ich, und
begeisterte ich die Zuschauer so sehr, dass ich zum Vortanzen bei
einer angesehenen Akademie eingeladen wurde. Die Leute waren
begeistert und so begann mein Weg zu Profi Ballerina. Applaus
Applaus von Auftritt zu Auftritt, und oft saßen meine Pflegeeltern in
der ersten Reihe. Als ich den Stolz in den Augen meiner
Adoptiveltern sah, war mir klar ich musste alles tun, damit das so
bleibt.
Schon seit Beginn des Gymnasiums hatte ich Schwierigkeiten mit
dem Essen. Nach meinem Abitur hörte ich ganz auf mit Schule und
widmete mich von nun an nur noch dem Ballett. Ich trainierte bis zu
16 Stunden täglich neben den Auftritten.

Es ist anstrengend, man bekommt Wunden und Blasen, doch man
darf nicht versagen! Alles schien zu funktionieren.

Perfekte Maske und tadellosere kür

Ein Jogurt und ein Apfel am Tag reichten mir, mehr aß ich oft nicht.
Ich merkte das mir was fehlte im Leben. Ich konnte schon früh nicht
auf die Geburtstage von anderen Kindern gehen, weil mir dafür die
Zeit fehlte. Freunde außerhalb des Balletts gab es so gut wie
keine. Ich bin niemals mit einen Jungen gegangen.
Ich habe es mir oft vorgestellt wie das sein könnte. Kleine
Tagträumchen habe ich dann abgehalten, sie handelten vom
Händchenhalten, Küssen im Rosengarten, und leidenschaftlichem
Sex im Freien. Es gab da mal jemanden, einen wirklich lieben
Jungen, aber daraus ist nichts geworden. Mein Adoptivvater wollte
das nicht „Er sei nicht gut für mich und meine Karriere“ ,dann habe
ich mir diese Träume verboten.

Disco oder Partyabende, wo Leute einfach mit anderen Bier
trinken, gab es für mich auch nicht. Ich weiß nicht mal wie Bier
schmeckt. Ich weiß nur davon wird man dick.

Wenn man als normaler Mensch schlank ist, ist man als Ballerina
noch dick und die Trainerin sagt einem dann: „Es muss Gewicht
reduziert werden“ Keiner möchte eine dicke Tänzerin auf der
Bühne stehen haben. Die werden auch nicht gebucht.

Ich tanzte gegen den Teufel, der Teufel sagte „ich bin eine Schande
und schwach und keiner will mich, wenn ich versage“. Wenn ich
mal zuviel aß und drohte dick zu werden erbrach ich es. Die
Akademie Ärzte sagten: Gewicht an der unteren Grenze. Doch es
war weitaus schlimmer, das wusste ich. Denn Ich wog 43 kg bei
173 cm Größe.

Ich war beruflich oft unterwegs und sah mein Zuhause kaum. Viele
schöne Städte durfte ich bereisen. Doch leider nicht untätig dabei
sein.

Es gab Jemanden in mir für den Ballett nicht alles im Leben war.
Der anders Leben wollte! Ich habe das immer unterdrückt doch es
brach gelegentlich aus mir raus.

Ich wollte so sein wie die Coolen Kids. Die einfach in Park
rumalberten oder in der Uni Mensa nur lachten und so nichts
Spezielles zu tun hatten, außer zu reden. Oder mit einem coolen
Typen Tiefkühlpizza essen und dann leidenschaftlich genommen
werden. Das wollte ich….

Ich sah die coolen Kids im Zug sitzend, an mir vorbei rauschen, auf
dem Weg zum nächsten Auftritt. Doch ich hätte an Liebsten für sie
getanzt, sodass sie mich anerkennen. Und ich auch ein Teil von
denen werden darf. So, dass mich niemand so schnell vergisst und
ich geherzt werden.
Die Kleidung die die Leute auf der Straße anziehen, die
übergroßen Basketball Trikots und die schlabberigen Hosen, wo
keiner mehr sieht wie dick man eigentlich darunter wirklich ist. Ich
kaufte mir die Hip­Hop Tanz Klamotten nur, um sie vor mir und
anderen zu verstecken. Damit verbunden, versteckte ich den
geheimen Wunsch vom Hip Hop Tanz. „Damit macht man sich und
alle andren nur peinlich.“ sagte mein Adoptivvater.

Als der Vorhang fiel

Auf Tournee in Prag, durfte ich nicht versagen! Als die Aufführung
begann, war ich nicht gut zurecht und mobilisierte Reserven. Bis
zur Mitte lief es für mich entsprechend gut. Doch dann passiert es.
Ich brach während der Aufführung zusammen. Mir wurde
schwindelig und schwarz vor Augen.

Als der Vorhang fiel, wusste ich, ich habe versagt, und ich habe
alles gegeben. Als ich zurück Zuhause in Stuttgart war, geriet ich mit meinem
Adoptivvater in Streit. Er wollte, dass ich sofort wieder aufs Parkett
gehe. Ich konnte nicht! Ich habe mich so geschämt!
Im Internet fand ich eine Hotline für Menschen mit Essstörung.
So fand ich den Weg in eine Spezialklinik,
(Mein Adotivvater ist wütend, weil es das Karriere aus bedeutete.
Wir hörten auf miteinander zu sprechen. Meine Adoptivmutter hat
sich in nach hinein auf meine Seite gestellt. Es gab einen großen
Streit. Und jetzt sind sie geschieden)

Die ersten 7 Wochen Klinik waren sehr schwer für mich und ich
wollte abrechen. Danach bin nach Ostwestfalen in eine andere
Klinik geschickt worden. Weit weg, um von allen Abstand zu
gewinnen. Die nächsten 16 Wochen Therapie verliefen ganz gut.
Ich konnte die Klinik mit 52 Kg verlassen. Ich mietete mir hier eine
Wohnung, in Gütersloh das ist so eine Gar nichts Stadt. Es
herrscht so eine Einfachheit der Dinge. Hier gibt es nicht
Pompöses. Keiner fragt mich wer ich bin und wo ich herkomme. Es
wird einem einfach zugenickt, ohne große Erwartungen zu stellen.
Und keine rollt den roten Teppich aus. Vielleicht bleibe ich sogar
hier, es ist so schön ruhig und das brauch ich.

Meine Karriere als Profi Ballerina ist vorbei. Ich will nicht mehr
dahin zurück, nach alldem was geschehen ist.
Ballett ist das leidenschaftliche Feuer in Herzen, und wen die
Flamme glimmt, Ja dann tanze ich. Nur für mich! Und ich habe
mich jetzt auch zum Hip hop Tanzen angemeldet. Hip Hop ist nicht
so grazil, dafür kraftvoller. Und meine Therapeutin sagte, dass ich
das brauche, was Kraftvolles. Auch wenn mein Adoptivvater sich
jetzt schrecklich dafür schämt. Wenn ich noch mal zurück in den
Beruf gehe dann als Trainerin. Aber eine Trainerin, die besonders
acht gibt auf sich, und ihre Schüler. Wo die Leute einfach alle
tanzen können egal wie sie sind. Doch ich brauche noch viel Zeit
um Sachen aufzuarbeiten. Und Sachen nachzuholen.
Geld macht mir zumindest keine Sorgen.
Doch verdammt noch eins, es gibt nunmal Dinge im Leben, die ich
mir von all dem schönen Geld nicht kaufen kann. Und das will ich
haben um jeden Preis!
Heute wieg ich 56 Kg bei 173 cm :))