Scheiß Frankfurt.

Redaktionsbeitrag: Unsere Berichte-
Schreiberin ist nicht das erste Mal mit
dabei. (Siehe Ausgabe Nr. 24 und
Nr. 25 FSB). Dort schildert die
gebürtige Schwerinerin, wie sie mit
14 Jahren nach Hamburg ausreist.
Nachdem ihr erster Freund inhaftiert
wurde, begegnet sie einer
Prostituierten Namens Gina,
die die Schreiberin als „Mutter“
bezeichnet. Weiter erklärt sie,
wie sie Heroinsüchtig wurde und sich
in jungen Jahren selbst prostituierte.

Als ihre „Mutter“ Gina plötzlich
verstarb, prostituierte sich die
Schreiberin auf der Straße und
begann vorwiegend Crystal
zu nehmen. Mit 27 Jahren brachte
der Wunsch, nach einem besseren
Leben und der Kontakt zu ihren leiblichen
Eltern, sie in eine Entzugsklinik. Redaktionsbeitrag ende.

 

 

Scheiß Frankfurt.

Ich habe mich für einen Entzug entschieden. Alles Scheiße. Die Klinik ist scheiße.

Im Vorprogramm habe ich meine Freundin Emily kennengelernt.

Die ist runter von den Drogen und hilft nun anderen, die das noch schaffen müssen. Emily war für ganze drei Wochen bei ihrer Familie in Russland. Ich musste alleine klarkommen und so begann die ganze Scheiße von Neuem!

Meine Kleidung, die ich in die Klinik mit gebracht habe, war kaputt und
dreckig. Ich sollte sie wegschmeißen.

Ich hätte Strickpullover und Sportschuhe mit Tennissocken mitbringen sollen. Aber so etwas besitze ich doch gar nicht. Ich weiß gar nicht mehr, wie sich so eine Kleidung anfühlt.

Meine eigentliche Kleidung, nennen wir sie mal Arbeitskleidung, ist durchsichtig, Nylonwäsche und Pumps. Alles was die Männer anzieht. Bloß nicht übersehen werden!

Wenn man auf dem Strich ist und dringend Geld für Stoff braucht; wenn der erste Eindruck stimmt, dann zahlen die Macker vielleicht auch ein paar Euro mehr.

In der Entzugsklinik bekam ich nur die Krankenhemden und so Plastiktüten an die Füße. War ja auch nicht schlimm, weil ich sowieso alles vollgekotzt habe. Der Entzug tut höllisch weh! Nicht nur der Körper, auch die Seele.

Es brennt, es juckt, es krampft. Und die Übelkeit! Entsetzlich!

Wenn man nur Heroinsüchtig ist, helfen die Medikamente ein bisschen. Aber das scheiß Crystal! Bei dem Entzug helfen die Medikamente kaum.
Tage später wurde die Übelkeit besser und ich habe mir ein Kleid geborgt. So ein altes Oma-Kleid.

In den Gesprächen mit dem Psychologen wurde mir vorgeschlagen, ich sollte mir doch einen anderen Beruf aussuchen. Aber was soll ich schon machen? Ich kann doch gar nichts… Malerin habe ich dann gesagt. Das kam nicht gut an. Und der Psychologe meinte, dass wäre auch nicht das richtige für mich.

Ich habe einen Brief bekommen. Ich habe versucht diesen zu lesen. Ein Staatsanwalt ist gegen mich, stand da drin.

Es gibt drei Leute die mir einen Brief geschrieben haben. Sie haben mir geschrieben, weil sie meine Texte mögen (die ich ans FSB geschickt habe). Nicht, weil sie gut sind, sondern einfach nur so.

Das hätte ich nicht gedacht. Vielleicht meinen die es wirklich ehrlich.

Oder die haben nur Langeweile. Ich sage trotzdem danke. Ich habe mich darüber gefreut. Mehr als über den Besuch von meinem Vater. Meine Mutter ist viel lieber zuhause geblieben. Weil sie sich bestimmt schämt für mich. Und mein Vater wollte auch nicht so lange bleiben. Fuck, was sollte ich da sagen. Nach so vielen Jahren.

Er kam mit tausend Vorhaltungen. Scheiße! Warum habe ich auch gemeint es gäbe eine liebvolle Umarmung oder so?!

Danach konnte ich mich nicht mehr im Spiegel ertragen. Ich meine die Pusteln von Crystal sind weniger geworden in der Klinik. Doch in der Entzugsklinik fühlte ich mich so hässlich, wie noch niemals in meine Leben zuvor. Die Drogen machen, dass ich hässliche Sachen schön sehe.

Das mit meinem Vater, meinem Spiegelbild, das Gerichtsverfahren, das alles… Ich musste raus! Da wusste ich, ich werde alles wieder vermasseln.

Ich wollte weiter, auch ohne Drogen, anschaffen gehen.

Dann könnte ich vielleicht den anderen zeigen, dass es geht.
Und dann auch wieder Geld verdienen. Und das dann auch behalten.

Ich wollte es nur nicht der Klinik sagen!

Ich durfte an diesem Tag mit zwei anderen Patienten in den Supermarkt gehen und etwas einkaufen. Im b Supermarkt war ich auf der Toilette. Und da war der Suchtdruck sehr groß. Diese Toiletten habe ich oft benutzt um Heroin zu spitzen. In diesen kleinen
stinkenden Kabinen ist Heroin ein schöner Zauberwald. Irgendwie ist
alles scheiße, wenn ich Drogen nehme, aber auch gleichzeitig abgefuckt geil!

Ich bin dann ohne ein Wort zu sagen, nach der Toilette, an den beiden Mitpatienten vorbei.

Doch die verfolgten mich. Ich bin dann um die Ecke gelaufen und

habe mich unter einem Auto auf dem Parkplatz versteckt. Ich hoffte nur, dass die Beiden die Suche aufgeben, bevor der Besitzer des Wagens zurückkehrt. Es klappte!

Dass die Beiden Ärger bekommen, wenn sie ohne mich zurück kommen, das wollte ich nicht. Doch in dem ganzen Kuhdorf fand ich keinen Dealer. Ich habe ein paar Leute gefragt, doch die haben mich nur Verständnislos angesehen.

Bin dann zum Kiosk gegangen. Ich habe geweint und gedacht ich trinke Bier bis ich aufhöre zu weinen. Da war dann so ein dicker, alter Mann. Der rauchte am Kiosk. Und so wie der mich angesehen hat, ist mir eine Idee in den Sinn gekommen. Er ist mein Ticket aus dem fucking Dorf.

Magische Hand. Alles Cool. Bis an den Punkt, wo ich ihm gesagte, dass ich Geld möchte. Er fing an zu diskutieren. Er war dann bereit 50,- € zu geben. Zu leihen. Nur zu leihen! Nichts weiter.

War zwar scheiße, aber ich willigte dennoch ein.

Er wohnte gleich neben dem Kiosk. Und an den Wänden hingen überall Poster vom Vietnam-Krieg. Und auf dem Schrank lag ein Militärhelm und ein echtes Kriegstarnnetz. Er hat gesagt, er sei Soldat.

Doch ich glaubte ihm nicht. Höchstens ganz früher mal. Er war viel zu dick und zu ungepflegt. Ich weiß es nicht.

Ansich egal. Weil ich ja keine starken Männer suche. Nur ein bisschen Geld sollten die haben.

Er wollte dann, dass ich für ihn tanze. So strippen halt.

So wollte ich das aber nicht. Aber es ist eigentlich auch egal was ich will. So tanzen ist nur nicht so mein Ding. Aber mich einfach ausziehen…Das kann ich.

Als wir dabei waren, dachte ich nur: Egal wie, hauptsache er ist zufrieden und ich schnell weg. Doch dabei fiel mir ein, dass ich die Scheiß Anti-Baby-Pille seit der Klinik nicht mehr genommen habe.

Er ist dann in meinem Munde gekommen. Besser so.

Jetzt bekommt ihr sicher Hass, weil ich bei der ganzen Sache kein Kondom benutzt habe. Aber ehrlich gesagt, war mir das egal, ob ich noch lange lebe oder sterbe. Ich habe nur an den scheiß Stoff gedacht. Und denen würde ja nichts passieren, denn meine Tests in der Klinik waren OK – zumindest ansteckende Krankheiten habe ich nicht.

Und als ich fertig war, stieg ich in den Zug. Frankfurt war nicht weit weg. Auf der Fahrt erinnerte ich mich an meine Kindheit. Wie ich mit meinen leuchtenden Augen nach Hamburg abgehauen bin. Die Leute; die Welt – alles war so schön. Dieses Gefühl der Freiheit, das Gefühl der Jugend. Wie das Mondlicht auf die Elster schien und ich so tief glücklich war. Alle wollten zum Ziel. Nur ich war schon da.

So hat sich das angefühlt. Wäre ich mal beim Ganja (Cannabis) geblieben. Das wäre irre.

Doch dann das scheiß Heroin. Und wie ich sofort darauf abgefahren und hängen geblieben bin. Sehr traurig. Und wütend. Wütend auf mich selbst. Aber nur, wenn ich daran denke.

Und wie sie mich dann alle abgefuckt und ausgenutzt haben. Alle! Das sind Erinnerungen, die mich aufressen, wenn ich daran denke. Und dann brauche ich unbedingt wieder Stoff. Die Vergangenheit ist ein Bastard!

Also Frankfurt Hauptbahnhof ausgestiegen. Und dann bin ich in die passende Ecke. Das läuft so: Die Dealer haben ein großes Versteck. Nur sie wissen wo das ist. Die Dealer haben nie allzuviel Stoff dabei. Die Bubbles (verkaufsfertige, fingernagelgroße Drogenportionen in Kugelform. Oft sind sie in Plastikfolie eingepackt) haben die Dealer im Mund. Denn falls die Polizei kommt und loslegt, werden die Kugeln einfach verschluckt.

Ich halte dem Dealer 20,- € hin. Der spuckt mir den Bubbel in die Hand. Und ich nehme das dann auch schnell in den Mund. Erst um die Ecke; dann wird gedrückt. In Frankfurt ist das alles einfach.

Ich habe auch schon Bahnhofs-Razzien erlebt. Urplötzlich kommen dann mehre Männer auf die Gruppe zu. Und man kann nicht so schnell begreifen was diese wollen. Und man bekommt Angst. Bis sie dann endlich ihre Marke zeigen. Dann kommen die uniformierten mit Drogenhunden. Scheiße, wenn der Stoff dann weg ist.

Doch in Frankfurt haben mir die Leute die Ecken gezeigt, wo die Dealer gutes Zeug haben und die Polizei nicht zu viel stresst. Das Geld war schnell weg und in dem scheiß Omi-Kleid hätte ich wahrscheinlich keinen Freier gefunden. Ich wäre da ja auch nicht die einzige, die sich dort anbietet. Ich musste mir etwas anderes besorgen.

Ich wurde beim Klauen erwischt. Ich habe es aber nicht einmal so richtig mitbekommen. Das Heroin in Frankfurt ist so stark. Man kann sogar sterben, wenn man das Zeug unterschätzt.

Eigentlich wollte ich nicht wieder mit dem Crystal anfangen. Aber mit Heroin bekomme ich den Arsch nicht hoch. Mit Crystal funktioniert das Anschaffen auch besser. Ich bin dann einfach aktiver.

Also ab in die Ecke. Dort bieten sich auch die schwulen Männer an. Da, wo die Freier einfach nur mal kurz die „Sau rauslassen“ wollen. Freitags- und samstagabends. Wenn die besoffen sind, dann bekomme ich gute Kunden. Der eine hat mir sogar 75,- € bezahlt.

Ein paar Typen haben mich dann geohrfeigt. Die Leute, die den Bezirk beherrschen. Mit denen kann man auch nicht reden. Weswegen die es auf mich abgesehen haben weiß ich nicht mehr, weil ich zu zugedröhnt war. Die wollten Geld und gaben keine Ruhe. Deswegen bin ich weg. Scheiss Frankfurt!

Ich möchte eine Droge die niemals nachlässt. Doch die gibt es nicht. Ich musste wieder von vorne anfangen. Ich telefonierte hinterhier mit meiner Freundin Emily, die endlich wieder in Deutschland war.

Ich wollte zurück in die Klinik. Doch ich musste wieder auf die Warteliste. Die paar Tage habe ich dann bei Emily gepennt.

Und den wenigen Stoff, den ich noch hatte, musste ich mir gut einteilen.
Emily ist eine sehr gute Freundin geworden. Und ich schaffte es erneut in die Entzugsklini

Der Frau geht es aktuell den Umständen entsprechend gut. Sie bekommt Unterstützung. Mails und Briefe können über die FSB-Redaktion an die Schreiberin weitergeleitet werden.

Ein weiterer Teil wurde von der Schreiberin angekündigt.